Alles gut (?)

Wie Gefühle wirken


Deine Gefühle leiten dich.
Deine Gefühle beschützen dich.
Deine Gefühle beleben dich.

Deine Gefühle belügen dich nicht.
Deine Gefühle zerbrechen dich nicht.
Deine Gefühle erlösen dich nicht.

Deine Gefühle erwarten dich.
Das Selbst kennt keine Sinneswahrnehmungen, keine Gefühle und keine Gedanken, das Selbst ist reines Sein. Das Selbst ist die Quelle von Bewusstsein und Geist. Alles, was wir wahrnehmen, hat seinen Ursprung in unserem Geist, der unserem Selbst entspringt, das wiederum eins ist mit der Quelle allen Seins. Aus unseren Wahrnehmungen entstehen unsere Gedanken und Gefühle. Diese Wahrnehmungen bilden die Grundlage für unsere "objektive" Realität, ein Bild, welches von jedem Lebewesen jedoch völlig subjektiv empfunden wird. Damit ist die von uns wahrgenommene Realität nichts anderes als eine persönlich gefärbte Illusion, die geprägt ist durch unsere persönlichen Erfahrungen und Vergleiche.

Je mehr Erfahrungen wir im Lauf unseres Lebens machen, desto vielschichtiger entwickelt sich unsere Wahrnehmungsfähigkeit und damit das Spektrum unserer Gefühle. Der Umfang dieses Gefühlsspektrums ist unter anderem abhängig von unserer Fähigkeit, unsere Gefühle zu benennen. Beispielsweise kennen die Inuit über 20 verschiedene Begriffe für das Wort "Nähe". Doch ein Mensch, der einen kleineren Wortschatz hat als ein anderer, muss deshalb nicht weniger Gefühle haben. Der eine Mensch kann sich verliebt und glücklich fühlen, ein anderer Mensch, der zwar dasselbe empfindet, aber das Wort "verliebt" nicht kennt, würde dann eben beide Gefühlszustände nur als "glücklich" bezeichnen.

Unsere Gefühle und Gedanken erschaffen sich gegenseitig. Sie bestimmen unseren individuell erlebten Zustand. Auf die Worte "Ich bin" folgt in der Regel ein körperlicher oder seelischer Zustand: "Ich bin hungrig, bin satt, bin alt, bin jung, bin verliebt, bin glücklich, bin traurig, bin einsam, bin zufrieden, bin klug, bin dumm." Ich fühle, also bin ich. Wir erleben uns in unserem Bewusstsein - aus dem heraus wir uns überwiegend mit unserem Ich und später dann mit unserem Ego identifizieren. Doch in Wirklichkeit sind wir weit mehr als (nur) unser "Ich": Im Ursprung unserer Existenz sind wir unser Selbst.

Unsere Gefühle entspringen dem eigenen Geist, also dem eigenen Ich. Doch nicht nur im gesunden Ich, auch im krankhaften Ego entstehen Gefühle. Man könnte zwar denken, dass ein Egoist durch Gefühllosigkeit auffällt. Aber das scheint nur so zu sein. Der Unterschied ist, dass die Gefühle, die im Ego wirken, sich überwiegend um den eigenen Zustand drehen. Viele der im gesunden Ich entstandenen Gefühle existieren dann nur noch im Hintergrund. Und dort müssen sie auch unbedingt bleiben, denn würden sie sich entfalten, wären sie eine große Bedrohung für das Ego. Deshalb haben egoistische Menschen vor nichts größere Angst als vor ihren verdrängten Gefühlen. So wird die Mauer, durch die sich das Ego vom Selbst isoliert, immer dicker und fester gebaut. Doch auch die sicherste Festung trägt bereits den Keim ihres Zerfalls in sich. In persönlichen Krisen wie beispielsweise einer schweren Krankheit oder einem einschneidenden Verlusterlebnis wird man oft feststellen können, dass sich ein zuvor kalter und berechnender Mensch plötzlich zu einem warmherzigen Menschenfreund entwickelt. Das geschieht, weil die Mauer zerbröckelt, wenn sich der Mensch durch das Erleben seiner Krise wieder stärker mit seinem Selbst identifiziert. Allerdings werden die Zusammenhänge meist nicht erkannt. Deshalb wird in der Regel, sobald das Problem überwunden zu sein scheint, die vermeintlich schützende Mauer wieder aufgebaut. Doch damit ist die nächste Krise schon vorprogrammiert und folgt garantiert.

Gefühle verhalten sich in unserem Körper wie Wasser in einem Topf. Bringt man es zum Kochen (auch Egomanen kochen innerlich, meist vor Wut), dehnt es sich aus, wandelt sich zu Dampf, kondensiert wieder zu (destilliertem!) Wasser und fließt irgendwann zurück in den Topf. Das ist ein gesunder Kreislauf, nichts wird zerstört. Befindet sich ein Deckel auf dem Topf, wird der steigende Druck den Deckel vom Topf schleudern - und das Wasser geht mit etwas Verzögerung seinen natürlichen Weg. Fixiert man aber Topf und Deckel, werden Topf und Deckel durch den steigenden Druck explodieren. Das Wasser jedoch findet in jedem Fall seinen natürlichen Weg. Auch hier wirkt das inzwischen wohlbekannte Naturgesetz: Niemals festhalten, sondern grundsätzlich alles loslassen. Festhalten führt unabwendbar zu Zerstörung.

Gefühle kommen und gehen, wenn sie nicht festgehalten werden. Werden sie festgehalten, sammeln sich immer mehr Gefühle an. Alle angesammelten Gefühle werden im Unterbewusstsein gespeichert. Auch das funktioniert wie bei einem Computer: Wie schon die Gedanken sind auch Gefühle eine Art "Programm". Verschiedene "Programmierer" (die Gene, das soziale Umfeld, die "eigenen" Gedanken) haben diese Software geschrieben. Diese Programme sind auf einer Festplatte (dem Unterbewusstsein) gespeichert. Im Arbeitsspeicher (dem Bewusstsein) können dann ganz nach Bedarf mehrere Programme geöffnet und vom Anwender (dem Ich bzw. dem Ego) genutzt werden. Wenn der Anwender bestimmte Programme (also Gefühle und Gedanken) besser handhaben kann als andere, wird er vorwiegend mit den Programmen arbeiten, die er am besten beherrscht. Diese favorisierten Programme bekommen durch ihre stetige Anwendung laufend Updates und werden dadurch immer leistungsstärker. Dazu kommt, dass Programme ähnlicher Ausrichtung besser miteinander harmonieren. Wenn es sich nun bei den bevorzugten Programmen um Leid auslösende Programme handelt, entwickelt sich eine weitere Negativspirale. Denn auch hier gilt: Übung macht den Meister.

Als Folge davon werden Gefühle, deren Verarbeitung problematisch werden könnte, unbearbeitet im Unterbewusstsein abgelegt. Das führt dazu, dass diverse Außenreize, die mit den aktuell "angewendeten Programmen" nicht bearbeitet werden können, diese verdrängten Gefühle (Programme) unbemerkt mit Energie aufladen. So "wachsen" die verdrängten Gefühle unbemerkt und erzeugen in uns einen zunehmenden Druck. Das führt dann irgendwann zu einer Systemüberlastung, die das gesamte System zum Absturz bringt. Dieser Systemkonflikt kann nur aufgelöst werden, indem die verdrängten Gefühle wieder neu installiert werden. Nur dann können wir wieder konstruktiv und konfliktfrei mit unserem System umgehen.

Wie das geht? Nehmen wir einmal an, wir hätten das Gefühl "Liebe" verdrängt, weil es uns Schmerzen verursacht hat. Das würde dazu führen, dass wir das Gefühl der Liebe grundsätzlich nicht mehr zulassen. Wenn dann bestimmte Reize auftreten, die dieses verdrängte Gefühl ansprechen, flüchten wir vor diesen Reizen oder blocken sie einfach ab. Neu "installieren" können wir das verdrängte Gefühl, indem wir es einfach wieder zulassen, als wäre es das erste Mal. Dazu braucht es etwas Mut, besonders aber Vertrauen in das Leben und das Potential unseres eigenen Systems.

Es geht nicht darum, alle Gefühle, die sich im Lauf der Jahre in uns angesammelt haben, zu analysieren und zu bearbeiten. Das ist bei der Menge der erlebten Gefühle nämlich gar nicht möglich. Es geht darum, sie bewusst jetzt und neu zu durchleben, denn nur durch unsere Gefühle finden wir Zugang zu unserem Selbst. Je mehr unserer Gefühle vom Ego ins Unterbewusstsein verdrängt werden, desto weiter entfernen wir uns von unserem Selbst.

Alle Gefühle, die wir in uns erleben, haben ihre Berechtigung. Sie bringen uns in Einklang mit unserer persönlichen Wahrheit, mit unserer persönlichen Welt. Alle unsere Gefühle haben eine Funktion. Sie warnen uns, beschützen uns, bremsen uns, treiben uns an und lenken uns auf den für uns richtigen Weg. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht nur unsere positiven, sondern auch unsere negativen Gefühle wahrnehmen, sie zulassen, unverfälscht akzeptieren, durchleben und dann wieder loslassen. Das Wichtigste dabei ist jedoch, dass wir unsere Gefühle nicht anzweifeln, sondern ihnen restlos vertrauen.

Was wird passieren, wenn du deinem Gefühl vertraust? Deine Gefühle sind ein Produkt deines Geistes, der sich wiederum aus deinem Selbst entwickelt hat. Wenn du also deinem Gefühl vertraust, vertraust du dir selbst. Das nennt man Selbst-Vertrauen. Alle deine Gefühle sind richtig so, wie sie sind, denn sie sind ein Teil von dir. Lass´ sie frei, sperr´ sie nicht ein. Sie werden dir nichts Schlimmes antun, im Gegenteil. Du darfst deine Gefühle annehmen, und du kannst das auch. Indem du sie annimmst, nimmst du dich an. Verdrängst du sie jedoch, verdrängst du damit Teile von dir. Wenn du sie liebst, liebst du dich. Und du bist es wert, dass du dich liebst - wen denn sonst, wenn nicht zuerst dich selbst? Für keines deiner Gefühle musst oder darfst du dich schuldig fühlen. Dann würdest du dich selbst verleugnen und dich nicht lieben, sondern ablehnen. Sich zu lieben ist normal und gesund. Wer sich nicht liebt, zerstört sich selbst (sein Selbst).

Doch was können wir tun, wenn wir unter negativen Gefühlen leiden? Nichts müssen wir tun! Belastende Gefühle und Gedanken verlassen uns ganz von selbst, wenn wir die Gedanken loslassen, die sie erzeugt haben und sie nicht durch Festhalten "künstlich" verlängern. Wenn wir uns also von einem Gefühl befreien möchten, gelingt uns das, indem wir es nicht weiter beachten und die Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken.

Wenn es sich bei einem belastenden Gefühl jedoch nicht nur um ein temporäres, sondern um ein grundsätzliches Problem handelt, wenn es immer wieder auftaucht und es uns einfach nicht gelingt, es endgültig loszulassen, gibt es noch einen anderen Weg, uns von unserer emotionaler Belastung zu befreien. Auf diesem Weg kommen wir gleichzeitig unserem Selbst einen großen Schritt näher. Das geht schnell, ohne Anstrengung und ohne langwierige "Verarbeitung". Wir lösen das belastende Gefühl in 5 Schritten einfach auf.


1. Was ist das für ein Gefühl, das mich belastet? Wie fühlt es sich an? Nehmen wir einfach mal an, es ist ein Gefühl von Traurigkeit.

2. Wo genau in meinem Körper sitzt diese Traurigkeit? Vielleicht im Brustkorb? Oder unterhalb der Kehle, vielleicht auch in der Herzgegend oder im Bauch?

3. Ich lenke meine Aufmerksamkeit genau in die räumliche Mitte des Gefühls.

4. Jetzt durchlebe ich meine Traurigkeit, denke dabei jedoch NICHT an die Umstände, die meine Traurigkeit hervorgerufen haben.

5. Und nun untersuche ich, was in der räumlichen Mitte dieser Traurigkeit wirklich vorhanden ist. Ich finde dort - n i c h t s .


Im Moment dieser Erkenntnis löst sich das Gefühl auf. Wenn es wiederkommt, löse ich es aufs Neue auf. Mit der Zeit wird es immer seltener wiederkommen und irgendwann ganz verschwunden sein.
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