Vieles, was Menschen
tun, geschieht aus einem Bedürfnis nach Sicherheit. Wir suchen nach
Sicherheit in Partnerschaft und Ehe, in zwischenmenschlichen Beziehungen
verschiedenster Art, im Beruf, in materiellen und existenziellen Dingen,
wir suchen nach Sicherheit in unserem Leben schlechthin.
Doch es gibt keine wirkliche Sicherheit in Bereichen, die außerhalb
von uns selbst liegen. Keine Ehe, keine Versicherung und kein
Kündigungsschutz bietet endgültige Sicherheit. All das sind nichts als
Versprechungen. Die einzige Sicherheit, die es gibt, finden wir nur in uns selbst.
Und: Es gibt keine Sicherheit ohne
Vertrauen.
Vertrauen ist eine angeborene Fähigkeit.
Jeder Mensch verfügt über ein natürliches Urvertrauen. Als Säugling
hatte jeder von uns dieses grenzenlose Vertrauen, verbunden mit dem Gefühl
absoluter Sicherheit. Natürlich kann ein Kind im Säuglingsalter dieses
"Gefühl" noch nicht als solches benennen. Das kann es erst dann, wenn sich
seine Denkfähigkeit auf den dafür erforderlichen Stand entwickelt hat, wenn
es vergleichbare Erfahrungen gemacht hat und den Unterschied zwischen
Sicherheit und Unsicherheit bewusst wahrnehmen kann.
Ein Kleinkind empfindet seine Gedanken,
Gefühle und Handlungen grundsätzlich als richtig und erwartet darauf von
seinen Bezugspersonen nur positive Reaktionen. Wenn Kinder von ihren
Eltern
bedingungslos geliebt, akzeptiert und respektiert werden, können
sie dadurch ein hohes Maß an Vertrauen zu anderen Menschen, zu sich selbst
und in das Leben generell aufbauen. Dieses Vertrauen aus sich selbst (ihrem
Selbst) heraus erzeugt ein Gefühl von umfassender Sicherheit, woraus ein starkes
Selbstvertrauen und gesunde innere Stärke entsteht. Kinder,
die mit einem freien Selbst-Gefühl aufwachsen, können sich
selbst (ihr Selbst)
entfalten. Wenn Kinder jedoch durch
nicht nachvollziehbare Kritik und
unerwartete negative Reaktionen auf ihr argloses Verhalten als Person statt
für ihre Handlungen gemaßregelt werden, hat das schwerwiegende Folgen: Die
Kinder werden in ihrer
Selbst-Entfaltung behindert. Sie fühlen sich verunsichert
und enttäuscht, wodurch ihr Vertrauen in andere Menschen und in sich selbst
erschüttert wird. So entstehen erste
Selbst-Zweifel und ein Gefühl von
Unsicherheit. Wenn Kinder seelisch und/oder körperlich misshandelt werden,
lernen sie quasi Schlag auf Schlag, sich als ungeliebte, wertlose und
ohnmächtige Opfer zu fühlen. So entwickeln sie sich zu unsicheren, misstrauischen
und innerlich schwachen Menschen. Unsicherheit ist immer die Folge
von enttäuschtem Vertrauen. Im Lauf der Jahre wird das Vertrauen eines
Menschen natürlich immer öfter enttäuscht. Je stärker die daraus
entstehende Unsicherheit sein Selbstgefühl prägt, desto tiefgreifender
bestimmt Misstrauen sein Leben. Am Ende dieser Entwicklung steht der Verlust von
Selbst-
Liebe, Selbst-
Wert-Gefühl, Selbst-
Vertrauen,
Selbst-
Sicherheit und Selbst-
Bewusst-Sein. Das führt dann
unausweichlich zu einer zunehmenden Selbst-
Beschränkung bis hin zur
totalen Selbst-
Blockade.
Nicht selten sind misstrauische Menschen
im Berufsleben ziemlich erfolgreich. Weil sie niemandem vertrauen und fast
immer von "bösen" Absichten anderer ausgehen, verhalten sie sich dominant
und aggressiv. Um ihr hohes Sicherheitsbedürfnis zu befriedigen, haben sie
aus Gründen des Selbstschutzes in der Regel ein starkes Ego entwickelt.
Hinter dieser Maske ihres Ego fühlen sie sich dann gut geschützt vor
unliebsamen Überraschungen. Darüber hinaus wird ihr im wahrsten Sinn des
Wortes "blendendes" Auftreten von ihren Mitmenschen meist auch noch als
Stärke, Selbstsicherheit und
Selbstbewusstsein (fehl)interpretiert. Doch eine Maske
ist immer nur Fassade und verbirgt in diesem Fall genau das Gegenteil.
Hinter der
(Selbst-)Lüge von
"Selbstsicherheit" versteckt sich nichts anderes als innere Schwäche
und Angst.
Aber was einmal war, muss zum Glück nicht
immer so bleiben. Jeder Mensch ist ständig neuen Einflüssen ausgesetzt,
die ihm eine Chance zur
(Weiter-)Entwicklung bieten.
Deshalb können sich schwache Menschen durchaus zu starken Menschen entwickeln
wie auch umgekehrt, genauso können auch misstrauische Menschen wieder lernen,
zu vertrauen.
Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen
ist Kommunikation. Kommunikation findet statt zwischen Informationsträgern.
Wechselseitige Kommunikation kann entstehen
zwischen Menschen,
zwischen
Mensch und Tier oder
zwischen Lebewesen generell. Es gibt aber auch eine
einseitige "Kommunikation", beispielsweise
von einer Zeitung, eines Buches
oder eines Werbefilms
zu einem bestimmten Empfänger. Damit Kommunikation
zustande kommen kann, gewähren sich die Beteiligten einen individuellen
Vertrauensvorschuss. Je nach dem, in welchem Ausmaß bei Kommunikationsprozessen unser
Vertrauensvorschuss und unsere daraus entstehenden Erwartungen enttäuscht werden
oder nicht, desto deutlicher wird unser Vertrauen auf den beteiligten Ebenen wachsen oder
sinken. Dabei werden Art und Umfang des von uns gewährten Vertrauens
äußerst fein justiert und unseren Erfahrungen aus ähnlichen Situationen
angepasst. Dies können sowohl persönlich gemachte Erfahrungen, aber auch durch
andere Informationsquellen erlangte Kenntnisse sein. Entscheidend ist immer, wie viel Vertrauen
der jeweiligen Informationsquelle entgegen gebracht wird. Einem Buch kann man manchmal mehr
Vertrauen entgegen bringen als manchen Menschen. Das alles gilt jedoch nur innerhalb des individuellen
Rahmens, der vom Ausmaß der eigenen Vertrauensfähigkeit gesetzt wird.
Vertrauen ist für uns Menschen lebensnotwendig. Ohne ein Mindestmaß
an gegenseitigem Vertrauen können funktionierende zwischenmenschliche
Beziehungen nicht entstehen, denn unser menschliches Zusammenleben setzt ein gewisses
Vertrauen in unsere Mitmenschen voraus. Wie wäre ein Leben möglich,
wenn wir in jedem Menschen, dem wir auf der Strasse begegnen, einen potenziellen
Gewalttäter vermuten würden? Dann würden nur noch Mord und Totschlag
herrschen. Aber auch ein gesundes Misstrauen hat seine Berechtigung, weil es uns hilft,
Gefahrensituationen zu vermeiden und angemessen damit umzugehen. Würden wir
jedem und allem
bedingungslos vertrauen, wären wir sämtlichen
Bedrohungen schutzlos ausgeliefert. Grundsätzlich ist es jedoch besser, Vertrauen zu
"riskieren", als mit Angst und Misstrauen auf "Nummer Sicher" zu
gehen. Beziehungen, die auf Vertrauen aufgebaut sind, verlaufen nämlich für
die Beteiligten deutlich besser als Beziehungen, die auf Misstrauen beruhen. Was es dazu
braucht, ist nur ein wenig Mut und eine gewisse Risikobereitschaft. Ohne das Risiko, in
unseren Erwartungen und Hoffnungen enttäuscht zu werden, werden wir auch nie
die Früchte unseres Vertrauens ernten können. No risk, no fun.
Wie uns das gelingt? Wir folgen unseren Instinkten, unserer Intuition, unserer
inneren
Stimme. Dieser Stimme können wir uneingeschränkt vertrauen. Nur, wenn
wir das tun, entwickeln wir wirkliches
Selbst-Vertrauen - und nur dann fühlen
wir uns wirklich
selbst-sicher. Erinnern wir uns: Auch wir sind ein Teil
dieser Welt, die vollkommen ist, so, wie sie ist. Deshalb können wir der Welt, dem
Leben und damit uns selbst ganz sicher vertrauen.
Dieses umfassende Vertrauen schenkt uns die einzige wirkliche Sicherheit, die es für uns gibt.
Nur durch unser Vertrauen in die Unfehlbarkeit der Welt (und als Folge davon in uns selbst) finden wir wahre, grundlegende
und absolute Sicherheit. Nur dann spüren wir die universelle Kraft, die uns erkennen
lässt, dass es keinen Grund gibt, Angst zu haben, weil nichts passieren kann,
was nicht in
Ordnung wäre - auch wenn uns meist nicht das geschenkt wird,
was wir uns wünschen. Statt dessen bekommen wir vom Leben das, was wir
wirklich
brauchen, um uns unserer wahren Bestimmung im Gesamtzusammenhang des Lebens gemäss
zu entwickeln - Schmerz, Leid und Verzweiflung inclusive. Die Hintergründe für unsere
Stellung im Gesamtzusammenhang des Lebens bleiben uns in der Regel verschlossen.
Es werden immer Fragen offen bleiben.