Alles gut (?)

Das Greifen aufgeben


Ich höre auf, nach dem "Guten" zu greifen.

Der Vorgang geistigen Greifens ist eine Spirale. Ich habe unablässig gegriffen nach Anerkennung, Sicherheit, Erfolg, Erkenntnis, Erfüllung, Liebe. Doch ich bekam nie genug davon, ich wollte immer mehr. Ich selbst habe durch mein Greifen meine Zufriedenheit verhindert. Ich habe mich nicht vom Leben beschenken lassen, ich wollte haben und erzwingen. Das Ergebnis war endlose Frustration. Greifen entsteht im Denken. Also habe ich mein Denken geändert. Ich lasse die Dinge geschehen, ich denke nicht mehr "Ich will", sondern "Ich gebe - ich gebe hin". Hingabe ist eine Quelle. Aus dieser Quelle sprudelt Harmonie.


Ich höre auf, zu streben.

Streben ist der Versuch, dem Platz zu entkommen, an dem man sich gerade befindet. Die grundlegende Ursache des Strebens ist es, dem Tod entkommen zu wollen. Ein sinnloses Unterfangen. Streben verhindert Zufriedenheit. Denn wenn ich zufrieden bin, gibt es keinen Grund, etwas anzustreben. Nicht zu streben bedeutet jedoch nicht, passiv und apathisch zu sein. Statt meine Zufriedenheit von der Erfüllung meiner Erwartungen abhängig zu machen, handle ich aus innerem Antrieb und mit Spaß am Handeln an sich, ohne dabei etwas anzustreben. Damit befreie ich mich von dem Druck, etwas erreichen zu müssen. So empfinde ich Freude bei allen meinen Aktivitäten und kann in meinen Handlungen und in allem, was ich denke und fühle, erfüllt und zufrieden sein.


Ich höre auf, zu suchen.

Jeder von uns kennt Situationen, in denen wir etwas verlegt haben, es immer intensiver suchen, doch es partout nicht finden können. Wenn wir dann resignieren und die Suche aufgeben, siehe da, wie aus heiterem Himmel taucht der verlorene geglaubte Gegenstand wieder auf und wir fragen uns, wie es möglich sein konnte, ihn trotz unserer intensiven Suche nicht gleich gefunden zu haben. Wir finden dann am besten, wenn wir uns von den "gesuchten" Dingen finden lassen, denn durch angestrengtes Suchen entsteht Verkrampfung, welche die für das Finden notwendige Offenheit blockiert. So finden erfolgreiche Pilzsammler die schönsten und besten Exemplare wie von selbst, während der angestrengte Pilzsucher vor lauter Laub den schönsten Steinpilz übersieht. Wirklich wichtig wird das Finden lassen allerdings besonders dann, wenn es um innere Angelegenheiten geht. Jahrzehntelang war ich auf einer sinnlosen Suche nach Glück, nach Liebe, nach Erkenntnis und Erfüllung - nach mir selbst. Ein Satz wie "Ich bin auf der Suche nach mir selbst" bringt diesen Irrsinn auf den Punkt: Wie kann man nur im Außen nach etwas suchen, was man bereits in sich hat ??? Die Suche nach Glück, Erkenntnis, Erfüllung und Liebe ist restlos zum Scheitern verurteilt, denn all das trägt jeder Mensch von Anfang an in seinem Selbst. Wer dies alles "finden" will, braucht es nur zuzulassen. Die Suche nach all dem entspringt dem Ego. Das Ego will finden - das Ego will. Selbstfindung ist aber vollkommen überflüssig, denn wir haben unser Selbst ja bereits in uns. Unsere inneren Schätze können sich jedoch nur dann frei entfalten, wenn sie vom Ego nicht blockiert werden. Der Weg zur inneren und äußeren Harmonie führt über Selbstbefreiung, über die Befreiung des Selbst aus der Umklammerung des Ego. Das Suchen aufzugeben ist ein großer Schritt auf diesem Weg.


Ich höre auf, zu wünschen.

Anderen Menschen alles erdenklich Gute zu wünschen ist eine feine Sache. Das ist kein Greifen, sondern ein Geben. Hier jedoch geht es um das Aufgeben selbstbezogener Wünsche. Der Satz "Ich bin wunschlos glücklich" beschreibt genau, was damit gemeint ist: Ich finde mein Glück unabhängig von der Erfüllung selbstbezogener Wünsche. Die Grundlage selbstbezogenen Wünschens ist immer ein Gefühl des Mangels. Ein daraus entstehender Wunsch ist geistiges Greifen nach Erfüllung dieses Wunsches. Indem ich meine selbstbezogenen Wünsche aufgebe, beende ich meine sinnlose Jagd nach Erfüllung von Vorstellungen, Hoffnungen und Illusionen. So befreie ich mich vom Gefühl des Mangels, dem Gefühl, nicht das zu haben, was ich will oder glaube zu brauchen. Es gibt keinen Grund, dass ich mir etwas wünsche, was ich bereits habe. Denn alles, was ich wirklich brauche, habe ich schon (immer) in mir (gehabt). Aus diesem Erkennen der in mir selbst vorhandenen Fülle entwickelt sich Zufriedenheit.
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